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participation. greed. resignation. empathy?

Ein Beitrag von Frieda Bigalke

Die Ausstellung „Nimmersatt?“ hat mich an George Orwells Roman „Farm der Tiere“ erinnert. Orwell greift die Themen Partizipation, Gier, Empathie und Resignation auf. Das sind Gefühle und Zustände, die ich selbst oft in Bezug auf das System, in dem wir leben, fühle und beobachte.

„Farm der Tiere“ handelt von einer Tierfarm, auf der die Tiere den unterdrückenden Bauern vertreiben um Selbstbestimmtheit und vermeintliche Freiheit zurückzuerobern. Dafür starten sie mit einem kommunistischen Grundprinzip, nach dem alle Tiere gleich sind und für die Gemeinschaft handeln und arbeiten. Nach und nach ergreifen die Schweine immer mehr Macht. Die Geschichte endet in einem gewalttätigen diktatorischen System, in dem die Schweine die anderen Tiere ausbeuten und von den Menschen nicht mehr zu unterscheiden sind.

Literarisch ist Orwells Geschichte eigentlich eine Fabel, die sich auf die kommunistische Revolution 1917 bezieht.

Die Inhalte der Geschichte sind jedoch auch auf heute übertragbar. In einem kapitalistischen System sind nicht alle „Tiere“ bzw. Menschen gleich. Es herrschen Machthierarchien, die in Ausbeutung enden. Wir alle partizipieren an diesem System, ob freiwillig oder unfreiwillig. Wie würde eine Resignation in einem kapitalistischen System aussehen?

Übrigens war der Besitz von „Farm der Tiere“ in der DDR bis 1989 verboten.

Partizipation! – „Four legs good. Two legs bad.“

Beteiligung, Teilhabe, Mitwirkung oder Einbeziehung

Die Schafe in Orwells Farm der Tiere sind meinungslose Tiere. Sie folgen jedem Befehl, ohne diesen zu hinterfragen. Sie wiederholen den manipulativen Leitspruch „Vier Beine gut. Zwei Beine schlecht“. Dieser prägt die Tiere. Folglich glauben die Schafe, dass die Menschen böse sind und nur Tiere gute Wesen sind. Allerdings schreien die Schafe den Satz in jeder aufkommenden Diskussion und unterbinden den Austausch dadurch. Am Ende wird der Leitspruch von den Schweinen umformuliert in „Vier Beine gut. Zwei Beine besser.“

Als arbeitender und konsumierende*r Bürger*in ist man automatisch Teil des kapitalistischen Systems. Jedoch scheint es nahezu unmöglich sich diesem zu entziehen, ohne persönliches Leid zu erfahren. Wie lässt es sich vereinbaren, selbst Mitwirkende*r des Systems zu sein und sich gleichzeitig dagegen zu positionieren? Anmerkung: Ich möchte damit ausdrücklich nicht auf den Begriff „Schlafschafe“ Bezug nehmen.

Gier. – „Man is the only creature that consumes without producing.“

auf Genuss, Besitz und Erfüllung von Wünschen gerichtetes, heftiges, ungezügeltes Verlangen

Die Schweine beginnen die Revolution auf der Farm mit der Intention, dass alle Tiere gleich behandelt werden sollen. Durch bewusste Manipulation der anderen Tiere bauen sie ein System aus Unterdrückung, Ausbeutung und Angst auf. Sie lassen die anderen Tiere für sich arbeiten, produzieren dabei selbst aber nichts für die Gemeinschaft. Während die Farmtiere hart arbeiten, hungern und frieren, schlafen die Schweine im warmen Bauernhaus, fressen die erarbeitete Ernte alleine weg und lassen sich nicht auf der Farm blicken.

Die Schweine drücken für mich die Gier nach mehr Macht, mehr Raum, mehr Konsum und mehr Geld aus.

Resignation. – „I will work harder.“

das Sich fügen in das unabänderlich Scheinende

Das Pferd „Boxer“ arbeitet aus Überzeugung. Jedoch stirbt es am Ende durch unerbittliches Arbeiten. Es arbeitet sich also wortwörtlich tot. Obwohl „Boxer“ in der Geschichte ein überzeugter Arbeiter ist und sich auch mit seiner Arbeit identifiziert, ist er für mich ein Bild der Resignation. In einem kapitalistischen System, das man bekämpfen sollte, wenn andere darunter leiden, wäre oder ist die größte Resignation, sich diesem zu beugen. Wenn man den Anforderungen nicht mehr widerstrebt, sondern sich diesen beugt, ist das für mich Resignation.

Empathie? „If liberty means anything at all, it means the right to tell people what they do not want to hear.“

Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen

Ich hatte Schwierigkeiten ein Tier für den Begriff Empathie zu finden. Schließlich habe ich mich dazu entschieden den Autor selbst zu porträtieren. Er schafft bei den Leser*innen eine Art Verständnis für alle handelnden Charaktere.

Ich möchte den Begriff Empathie aber in Frage stellen: Ist der Mensch wirklich empathisch? Es gibt die These, dass nur empathische Menschen andere manipulieren können, weil sie deren Gedanken und Gefühlswelt verstehen. Ist ein manipulierender Mensch ein empathischer Mensch? Und wenn Empathie ein Ansatz sei, eine für uns bessere Gesellschaft zu schaffen, was passiert dann, wenn die Empathie ausgenutzt wird?

Alle Abbildungen : © Frieda Bigalke